Uelsen im Jahre 1854 / Als die Mark geteilt wurde

 

„Bezitter van halve Huizen…“ in Uelsen

 

Aus der Zeitungsbeilage „Der Grafschafter“ vom August 1956 von Willy Friedrich

 

 

Landnot – Bauernnot! Wie ein Gespenst überschatteten diese Begriffe einst auch unsere Heimat. Die Hörigkeit führte zu einer jeglichen Initiative hemmenden Unsicherheit. Grundherren ernteten die Früchte schweißtriefender Bauernarbeit. Trotzdem schrieb Amtmann Müller aus Wietmarschen im Jahre 1806, dass die Bauern „schlechte Hauswalter“ seien. Kein Wunder! Denn auf dem Landmann lasteten hohe Abgaben. Sie nahmen auch dem größten Optimisten den Mut. Langsam sickerten die Bestrebungen des Freiherrn von und zum Stein auch bis in die Grafschaft durch. In Preußen machte man den Versuch, die Bauernhörigkeit aufzuheben. Es waren aber nicht nur gute Erfahrungen, die diese Bauernbefreiung zeigte. Folglich bemühte man sich bei uns, eine andere Lösung zu finden. Es würde zu weit gehen, hier im Einzelnen darauf einzugehen.

 

Es vergingen einige Jahrzehnte, bis der hier anklingende neue Abschnitt, die Markenteilung, praktisch wurde. Bereits in der Franzosenzeit hatte man diese Teilung angeregt. Viele Gemeinden sträubten sich anfangs dagegen, weil man eine ungünstige Entwicklung für den Weidegrund befürchtete. Aus der Mark holten die Landleute ihre Plaggen und Soden. In die Mark trieb man das Vieh. Und von der Mark zahlte man keine Steuern. Falls es zu einer Teilung kommen würde, käme dem Fürsten ein Drittel des Gesamtbesitzes zu. Stimmen wurden laut, die sich dagegen wendeten. Erst sehr viel später, etwa in den Jahren, in denen der erste Kunstdünger von sich reden machte, wurde die Mark geteilt, gegen Ende des 19. Jahrhunderts .Wie schwierig die damit gestellte Aufgabe war, mag aus der Tatsache erhellen, dass die Teilung sechs, acht, zehn und in der Gemeinde Hesepe bei Nordhorn sogar 22 Jahre in Anspruch nahm.

 

Nun, in Uelsen wird es nicht so lange gedauert haben. Interessant ist ein in holländischer Sprache abgefasstes Schriftstück aus dieser Zeit. Dort steht unter anderem, dass die „Deelings-Commissie“ am 20. November 1854 tagte, um Probleme der Teilung zu erörtern. Besonderes Augenmerk legte man auf die „Bezitter van halven Huizen…!“ (aneinander gebaute Häuser). Sie sollten bei der Markenteilung nicht benachteiligt werden, sondern den gleichen Anteil erhalten wie „De Bezitter van heelen Huizen“, und zwar unter der Voraussetzung, dass sie sich verpflichteten, pro Besitz 15 Gulden zu den Teilungsunkosten beizutragen. Ebenso interessant ist weiter, dass die Eigentümer später entstandener Häuser 50 Gulden zahlen mussten, wenn sie als „Gleichberechtigte“ in die Markenteilung hineingehen wollten.

Der Gemeindediener Bremmer wird alsdann laut Protokoll beauftragt, den betreffenden Grundbesitzern diesen Beschluss zur Kenntnis zu bringen. Folgende Namen, heute nach hundert Jahren zum größten Teil noch in Uelsen erhalten, sind angeführt:

Jan Vorrink, Witwe Sluijter, Heimann, ten Bosch, Gerhard Mölder (jetzt sicher Mülder), Koek, H. Temme, J.H. Egbers, B. Snoeink, Arink, B.Dasselaar, J. van Wieren, J. Gerritsen, Frau Aschendorf, Witwe Eppink, Jan ten Thoren, H. Oehlen, J. Lamping, Caspar Koring und G. Gaalmann.

Hinzu kommen die Eigentümer neu entstandener Häuser: Philip Koring, G. Kampferbeck, H. van Wieren, G.J. Dalink und H. Frantzen.

Einige Tage später müssen die Angesprochenen auf dem Rathaus ihr Einverständnis erklären.

 

Aus einem Zusatz ist zu entnehmen, dass J. Storteboom und A. Frantzen zur „Deelings Commissie“ gehörten. Sie wurden nämlich zum gleichen Zeitpunkt auf das Rathaus bestellt.

 

Man nahm es offensichtlich mit der Teilung sehr genau, und knüpfte an sie gewisse Bedingungen. So wurde zum Beispiel darüber diskutiert, ob bei einem Besitzerwechsel der durch die Markenteilung zugeschlagene Grund und Boden bei dem Hause verbleiben müsse oder nicht. Ohne Zustimmung der Gemeinde konnte nicht ohne weiteres auf den verteilten Parzellen gebaut werden. Nach außerhalb war ein Grundstücksverkauf nicht gestattet.

 

Ein kleiner Abschnitt Uelser Dorf- und Gemeindegeschichte. Er gibt uns einen Einblick in die Sorgen unserer Vorfahren. Sorgen, die wir heute nicht mehr kennen obwohl erst hundert Jahre seit der Markenteilung ins Land gegangen sind.

 

 

Erläuterungen zu den Markenteilungen

 

Ökonomisch mindestens ebenso bedeutsam wie die ‚Bauernbefreiung‘ war die Befreiung des Bodens aus den Zwängen der überkommenen Flurverfassung. Sie bestand aus zwei Elementen: Aufteilung der Gemeinheiten (Weide, Wald) unter den Bauern einer Gemeinde und Beseitigung der Gemengelage (Separierung) mit dem Ziel, geschlossene Wirtschaftsflächen zu erreichen (Arrondierung). Auch auf diesem Gebiet gab es schon erste Schritte um 1800. Der weitaus größte Teil der Gemeinheitsteilungen und Separierungsverfahren wurde jedoch in den vier Jahrzehnten nach der napoleonischen Zeit umgesetzt“.

1821 wurde das Verfahren der Markenteilungen gesetzlich neu geregelt. Das sagt, dass das im Gemeinschaftsbesitz der Markgenossen befindliche Gelände, die Gemeinheiten, zunächst vermessen und die verschiedenen Berechtigungen genau ermittelt wurden. Die beteiligten Bauern bestätigten dies durch ihre Unterschrift. In einem zweiten Schritt wurde entsprechend den Nutzungsberechtigungen die Mark geteilt und den Bauern als ihr Eigentum überlassen.

Die Gemeinheitsteilungsordnung von 1821 führte zu einer Beschleunigung und Ausweitung der Teilungsverfahren. Der den Bauern zufallende Anteil an den Gemeinheiten, etwa zwanzig bis vierzig Prozent der gesamten agrarischen Nutzfläche, vermehrte ihren Landbesitz beträchtlich - jedenfalls lohnte sich nun jede Bodenverbesserung.