Phosphorit-Knollen im Hügelland der Niedergrafschaft vor 100 Jahren von Georg Kip

 

 

bearbeitet von Gerrit-Jan Hesselink, Heimatverein Uelsen aus Anlass der Ereignisse vor 100 Jahren in Uelsen.

 

In der Uelser Schulchronik am 25.11.1920 beschreibt der Schulrat Valentin das Phosphorit-Vorkommen und seine Auswirkungen damals sehr eindrucksvoll.

 

Ebenfalls Heinrich Specht im Heimatkalender 1930 Rahmen einer Betrachtung über die Bodenschätze der Uelser Berge. (Specht die Bodenschätze der Uelsener Berge (H.-Kal. 1930, S. 52-55).

 

 

 

Die Ausbeutung der Phosphorit-Lager im Uelser Hügelland von Georg Kip.

 

Die „Goldene Wiege“ war es nicht

 

Georg Kip hat in alten Zeitungsbänden nachgeblättert und die seinerzeitigen Notizen über den damals neuen Industriezweig in Uelsen und den anliegenden Gemeinden zusammengestellt. Das reiche Vorkommen von Phosphorit-Knollen im Hügelland der Niedergrafschaft gab vor annähernd 100 Jahren, als nach dem verlorenen ersten Weltkrieg die wirtschaftliche Lage allenthalben wenig rosig war, in Uelsen neue Hoffnung und neuen Mut. Man glaubte schon, dies Phosphorit-Vorkommen sei die „Goldene Wiege“ der Sage, die voraussagte, dass eines Tages diese Goldene Wiege gefunden und damit die Wohlfahrt Uelsens gesichert werde. Nun, nachdem im Frühjahr des Jahres 1919 die Gewinnung der Phosphorit-Knollen eingesetzt hatte, musste bereits im Januar 1921 festgestellt werden, dass man mit der Ausbeutung dieses Vorkommens die Goldene Wiege doch wohl noch nicht gefunden habe; denn der Quell der erhofften Wohlfahrt begann schon nach knapp zwei Jahren zu versiegen.

 

Etwa im Jahr 1919 hatte man begonnen, die Phosphorit-Knollen abzugraben. Es war ein ganz einfaches Verfahren. Die Erde an den vermutlichen Fundstellen wurde gegraben, durchgesiebt, und die auf diese Weise vom Erdreich gelösten Phosphorit-Steine, die Knollen ähnelten, wurden gewaschen, verladen und in die Kunstdüngerfabriken gesandt, wo sie gebrannt und gemahlen wurden. So verschaffte man sich Phosphat-Dünger, besonderes hochwillkommen, weil zu jener Zeit der Bezug der von Phosphaten z. B. aus Lothringen vollständig stockte und die Landwirtschaft einen erheblichen Bedarf an Phosphat–Dünger hatte. Schon ein Jahr zuvor hatte man in den Hügeln von Ortmarsum begonnen, die dort auch in Massen vorkommenden Phosphorit-Knollen für den gleichen Zweck zu gewinnen. Mit Recht konnte gefolgert werden, dass das Niedergrafschafter Hügelgelände mehr oder weniger die gleiche geologische Struktur aufweise wie das an der anderen Seite der Grenze liegende Gebiet um Ootmarsum. Diese Überlegung trog dann auch nicht; das Phosphorit-Gestein, lag bei der Untersuchung offen zu Tage. Schon bald stellten die Sachverständigen fest, dass in und um Uelsen bedeutende Vorkommen vorhanden waren, die einen Abbau durchaus lohnten. Wegen der Wichtigkeit der Erfassung alles phosphathaltigen Gesteins beschlagnahmte die Regierung auf Grund eines Bundesratsbeschluss alle wo immer auch vorkommenden Phosphat- Läger zu Gunsten des Reiches. Danach konnten alle Läger enteignet werden. Darauf machte die Bezugsvereinigung der Deutschen Landwirtschaft die die Läger in der Uelser Gegend ausbeutete, aufmerksam. Sie erklärte jedoch gleichzeitig, dass sie gewillt sei, nach Möglichkeiten mit den Grundstückeignern friedlich auf dem Vertragswege übereinzukommen. Zu vernünftigen Abmachungen ist es dann auch wohl durchweg gekommen, und die Produktion lief bald auf hohen Touren. In Lemke, wo man die bis dahin ergiebigsten Läger entdeckte, wurde schon bald eine Feldbahn angelegt und zwar von der Nähe der Kolonate Siemelink und Beckmann aus zur Landstraße Uelsen-Neuenhaus. Diese Bahn diente zur bequemeren Fortschaffung der hier in Massen vorkommenden Phosphorit-Gesteine. Inzwischen studierten die Landwirte im ganzen Hügelgebiet die Bundesratsverordnung sorgsam. Sie waren zum Teil nämlich nicht gewillt, sich auf eine Abmachung einzulassen, die ihrer Ansicht nach den Eigentümern nicht genug Vorteile brachte. Dabei wiesen sie auf die Ausbeutung der Phosphat-Läger im benachbarten Holländischen hin, wo die Grundbesitzer nämlich 5 Gulden je Quadratmeter phosphathaltigen Bodens bekamen, während die Vergütung auf deutscher Seite nur 1,80 Mark je Quadratmeter ausmachen sollte. Man war durchaus willens, die Grundstücke zur Ausbeutung der Läger zur Verfügung zu stellen, aber eine höhere Bezahlung. Für einen solchen Streitfall, der in der Bundesratsverordnung natürlich vorgesehen war, musste ein Schiedsgericht die Entscheidung fällen. Inzwischen rückte die Produktion auf. Die wirklich recht bedeutenden Läger ermöglichten die Ausdehnung des Bergbaubetriebes. Schon wenige Monate nach dem Beginn wurden 80 Arbeiter beschäftigt, und ihre Zahl sollte innerhalb weniger Wochen so hieß es im August 1919 auf 200 gebracht werden. Die ausbeutende Gesellschaft sah sich zur Aufstellung guter und wohnlich eingerichteter Wohn-Baracken gezwungen, um die von auswärts heran strömenden Arbeitern unterbringen. Täglich rollten mehr Wagen, hochgeladen mit Phosphorit-Steinen, zum Bahnhof Neuenhaus, nachdem man den hundertsten, aufs schöne bekränzt, längst verladen hatte. Gefördert wurde in dieser Zeit, wie gesagt. August 1919, immer nur noch auf den alten Fundstellen, d. h. auf dem Marsbölt, hinter dem Mühlenteich in Bauerhausen und in Lemke. Auf dem Marsbölt war aber damals das Vorkommen schon großenteils erschöpft. Hier hatte man danach den Boden wiederaufgeschüttet und ihn landwirtschaftlichen Zwecken nutzbar gemacht. Die Grundbesitzer wollten nach dem Abbau des Phosphorit-Gesteins eine wesentlich größere Fruchtbarkeit des Bodens feststellen. Inzwischen hatte der „Phosphat-Betrieb“ die ganze Umgebung geologisch untersuchen lassen, u.a. an der Landstraße Uelsen Wilsum dort hatte man drei größere Läger festgestellt. Da man bis dahin aber nur bis zu einer Tiefe von fünf Metern vorstoßen konnte, beschloss der Betrieb eine Bohrvorrichtung zu beschaffen, mit der man das Erdreich bis zu 30 Meter Tiefe erkunden konnte. Es kam auch bald zu einer regelrechten Bergwerksarbeit; denn aus einer Mitteilung vom Oktober 1919 ergab sich, dass auch Leute „unter Tage“ beschäftigt wurden. In der weiteren Öffentlichkeit wurde das bekannt, als in neuen Industriebetrieb ein Streik ausbrach. Am 30. September legten 90 Beschäftigte die Arbeit nieder. Auf den bis dahin gezahlten Stundenlohn von 1,30 Mark für Arbeiter unter Tage und 1 Mark für die übrigen verlangten sie 50 Prozent Aufschlag. Die arbeitswilligen Leute wurden an der Aufnahme der Arbeit gehindert, so dass der ganze Phosphatbetrieb ruhte. Bei den einsetzenden Verhandlungen bewilligte die örtliche Aufsicht eine Erhöhung um 25 Prozent unter der Voraussetzung, dass die Leitung des Betriebes diese Abmachung billigen würde. Das tat sie jedoch nicht, sondern erklärten, eine Erhöhung von 10 Prozent währen das Äußerste was sie tun könnte. Die Streikenden begnügten sich denn auch damit. Am 13 Oktober 1919 wurde die Phosphatgewinnung wieder aufgenommen. In der Folge gab es wohl keine Auseinandersetzung mehr, jedoch traten im Laufe des Jahres 1920 allmählich Absatzstockungen ein. Die Phosphoriten bei Uelsen lohnten sich offenbar nur bei fast völligem Mangel an Phosphaten abgebaut zu werden. Als die Düngerwirtschaft wieder vom Ausland beziehen konnte, erlahmte fast schlagartig das Interesse an der Phosphatgewinnung aus phosphorhaltigem deutschem Gestein. Gegen Ende 1920 gab denn auch der Phosphat-Betrieb bekannt, dass er die Förderung mit dem 31. Dezember einstellen werde. Die bislang bei der Gewinnung der Phosphaten Beschäftigte schlossen sich zu einer Produktionsgesellschaft „Kultura“ zusammen, um den Abbau der Phosphorite für eigene Rechnung fortzusetzen. Nach einigen Monaten stellte sich aber doch heraus, dass die Gewinnung von Phosphat aus dem Uelser Hügelgelände unrentabel geworden war. Die Förderung wurde eingestellt, und eine in schlimmster Notzeit aufkommende Industrie in und um Uelsen ging wieder dahin. Die Verwertung der hier vorkommenden Phosphoriten war die erhoffte „Goldene Wiege“ nicht gewesen Uelsen musste weiter hoffen.