Weihnachten früher

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Quelle: www.uelsen-und-umgebung.de

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Uelsen in den Jahren 1877 und 1880 und 1899

Weihnachten vor der Jahrhundertwende

 

Wie es in Uelsen war: 1877 der erste Weihnachtsbaum

 

Aus der Zeitungsbeilage „Der Grafschafter“ vom Dezember 1953 von Willy Friedrich

 

Weihnachten! – Wieder einmal ist es soweit. Feierlich werden die Kirchenglocken ihren ehernen Klang über das Grafschafter Land erschallen lassen. In den von Kerzenschimmer traulich erhellten Stuben erklingen Weihnachtslieder.

 

Weihnachten! Schönstes Fest des Jahres. Unsere Gedanken gehen auf Wanderschaft. Mit dem Klang der Glocken werden sie gleichsam hinübergetragen in eine neue Welt. Die Gegenwart liegt zum Greifen nahe. Und aus der Ferne grüßt die Vergangenheit, grüßen jene Tage zu uns herüber, die wir aus glücklicher Kinderzeit in Erinnerung behalten werden. Wenn wir aber noch ein wenig weiter zurückblicken wollen, müssen wir die Älteren unter uns fragen. Nur noch selten sprechen sie darüber, wie es früher einmal war, früher, als Großmutter und Großvater im Kreis einer unbeschwerten Kinderschar das Weihnachtsfest feierten. – „Ja, - frooger“ meinen die alten Leute mit einem Seufzer. Es lohnt kaum darüber zu sprechen. Alles hat sich geändert. Die Jugend würde es ohnehin nicht verstehen, geschweige denn glauben.

 

Weihnachten! – in unserer schnell lebigen Zeit oft ein lautes Fest, das mit einem „bunten Programm – anschließend Tanz“ bereichert wird. Erfreulicherweise gibt es auch noch andere Anschauungen. Wir meinen, dass es Stunden der Besinnung sein sollen, der stillen Einkehr, des Gedenkens.

 

Mir gegenüber saß in diesen Tagen einer der ältesten Einwohner unseres Dorfes. Wie immer, so war Heinrich Frantzen auch diesmal gern bereit, einmal zurückzublättern in dem dicken Buch seiner Erinnerungen, um mir Anhaltspunkte für das zu geben, was ich hier nachfolgend niedergeschrieben habe. Keine Sensationen – nein, schlichte Erlebnisse, eben die Besinnung auf den Menschen, auf unsere Vorfahren, die bereits in den siebziger Jahren ihre Weihnacht feierten.

Es ist kein Geheimnis, dass man in den ausgesprochen reformierten Gemeinden unseres Kreises nicht so viel Aufhebens vom Weihnachtsfest macht. Längst nicht in allen Häusern brennen die Lichterbäume. Um die Jahrhundertwende konnte man die Familien zählen, die in dieser Form das Fest begingen. Eine enge Bindung zu den Niederlanden begründetet den Standpunkt unserer Großeltern. Jenseits der Grenze haben die „Kerstdage“ bis heute noch keine allzu große Bedeutung. Deshalb war es schon etwas Besonderes, dass bereits 1877 in Uelsen ein kleiner „Weihnachtsbaum“ brannte.

Im Hause H. Frantzen am „Sünnenbarg“ (2021=Ecke Wilsumer Straße-Wöllenstiege) war eine Filiale der Zigarrenfabrik Harger, Neuenhaus untergebracht. Ein Teil des Gebäudes steht noch (Wohnung Blekker). In ihm waren Lager, Trockenstube und Arbeitsraum untergebracht. Etwa acht Personen wurden beschäftigt. Es waren Henrik und Ludwig Kohlmann, Johannes ten Hagen, Hendrik Frantzen, Frau Frantzen, H. Stiepel, Johann Röttgers und ein Holländer. Alle Genannten deckt der grüne Rasen. An Stelle der Spindel, die das Zusammenschrauben der Tabakpresse besorgte, stand am Heiligen Abend ein kleines, unscheinbares Tannenbäumchen. Die jungen Männer hatten es besorgt. Wahrscheinlich lasen sie irgendwo in einem Buch etwas vom Weihnachtsbaum. Oder sie hörten darüber von den Soldaten, die den kaiserlichen Rock trugen und neue Gedanken in die Heimat mitbrachten.

Stummel abgebrannter Talglichter wurden auf primitive Weise an den Zweigen befestigt. Hendrik Kohlmann sprach einige passende Worte. Und dann sang man das Lied von der Stillen Nacht. Das war gewiss kein fein abgestimmter Gesang, der dort in den niedrigen Räumen der Tabakfabrik eine eigenartige Atmosphäre hervorzauberte. Es war aber ein Gesang, der aus ehrlichem Herzen kam. Verwundert schauten die Kinder zu. Man hatte sie selbstverständlich herbeigeholt. „O Tannenbaum, o Tannenbaum…“, so klang es noch einmal auf. Dann folgte das Lied „O du fröhliche…“

Man saß beisammen, sprach über dieses und jenes. Den Männern wurde ein Schnäpschen, den Frauen ein „Kirschen“ gereicht. Die Kinder erhielten eine Handvoll „Plessis“ (Plätzchen), von denen man damals sechszehn Stück für einen Groschen kaufen konnte. Sie waren in Sirup gebacken und schmeckten wunderbar süß. Schließlich war die Feierstunde zu Ende.

Nur wenige Jahre später hielt der Weihnachtsbaum seinen Einzug in die „grote Schoole“ (jetzt Haus W. Voet – Fahrradhandlung) (2021=Zahnarztpraxis Seuren-Hillecke). Unter Lehrer Körner wurde dort bereits 1880 eine sehr ansprechende Weihnachtsfeier veranstaltet. Bauer Nordbeck aus Hardingen stellte kostenlos einen Tannenbaum zur Verfügung. Die Töchter des damaligen Grenzaufsehers Leege und die Geschwister Storteboom schmückten ihn. Der Schülerchor sang mehrstimmig Weihnachtslieder. Gedichte wurde vorgetragen. Die Eltern hörten zu. Durch freiwillige Spenden war es möglich, den Kindern kleine Gaben – Schreibhefte, Griffel, usw. – zu überreichen. Selbst Pastor Kappenberg ließ es sich nicht nehmen, einen Gulden zu spendieren. Das war vor 70 Jahren viel Geld.

Von der Zeit sind die Schulfeiern mehr oder weniger eine ständige Einrichtung geworden. Aber auch in den Bürgerhäusern tauchte hier und dort bereits ein Lichterbaum auf. Sicherlich hatte dies der enger werdende Kontakt zu den Zollbeamten bewirkt.

Dann kam der Tag, an dem man sich beim Bürgerschützenverein mit der Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung zu Weihnachten befasste. Jeder sollte daran teilnehmen. 1899 war es endlich soweit. In der Gastwirtschaft van der Bosch, dort, wo sich heute die Post befindet (2021 Wohnhaus Holsmölle an der Itterbecker Straße 3), wurde die Feier durchgeführt. Dicht an dicht drängten sich die Gäste, in dem viel zu engen Raum. Viele Schwierigkeiten waren zu überwinden. Trotzdem fand der erste Abend starken Anklang. „Weihnachten in der Fremde“, so hieß das Theaterstück, von Heinrich Frantzen einstudiert. Gerrit Beuningh, Hendrik Gisbers, Frau Holstein und H. Frantzen gehören zu den noch lebenden damaligen Spielern. Einige Male ging das Stück über die Bühne. „Weihnachten in der Fremde“ war kein Reißer, sondern ein Erlebnis junger Menschen, die nicht bei ihren Eltern und Geschwistern daheim sein konnten. Die Spielschar erntete immer wieder dankbaren Beifall. Selbst der Neuenhauser Schützenverein wollte das Stück sehen. Er hat es gesehen.