Dr. Heinrich Bernds

 

 

 

Pastor Heinrich Bernds (rechts) mit Frau und Schwiegermutter im eigenen Garten.

Links Pastor Schumacher mit seinen Schwestern.

 

 

Quelle des Fotos:

Beiträge zur Geschichte von Uelsen in der Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945

 

Dr. Heinrich Bernds

 

geboren am 14.07.1901 / im 2. Weltkrieg seit April 1945 vermisst.

 

 

Heinrich Bernds wurde am 14. Juli 1901 in Dinslaken als 8. Kind des Gärtnereibesitzers Johann Bernds geboren. Er besuchte die Städtische Oberschule in Oberhausen. 1921 begann er ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Köln. 1927 wurde er in Innsbruck zum Dr. rer. pol. promoviert, anschließend folgte eine kurze Tätigkeit in der Industrie. Unter dem Einfluss von Karl Barths Kommentar zum Römerbrief entschied sich Bernds für ein Studium der Theologie, das er in Bonn, Münster, Elberfeld und Halle absolvierte.

 

Nach einem Vikariat in Nordhorn und Uelsen war er von April 1934 bis Ende März 1935 als Hilfsprediger der ev.-ref. Gemeinde Frankfurt am Main tätig. Nachdem Pastor Alfred Beer die Pfarrstelle in Lage übernommen hatte, suchte die reformierte Gemeinde Uelsen einen 2. Pastor neben dem langjährigen Prediger Peter Schumacher, einem der einflussreichsten Grafschafter Theologen in der damaligen Zeit.

 

Der Kirchenrat wollte einen möglichen Kandidaten aus Osnabrück, der sich zu den "Deutschen Christen" bekannte, zunächst nicht berufen. Daraufhin gab es eine Eingabe von Uelser Bürger an den Preußischen Kultusminister in Berlin. Darin wurden verschiedene Vorwürfe gegen Pastor Schumacher erhoben, der darauf mit einer ausführlichen Stellungnahme reagierte. Er erläuterte seine Beziehungen in die Niederlande und betonte u. a., dass er sich zur Politik neutral verhalte.

 

Ende März 1935 wählte der Kirchenrat dann doch einstimmig den zuvor abgelehnten Kandidaten aus Osnabrück. Doch dieser lehnte ab und folgte einem Ruf nach Emden. Danach berief man Dr. Bernds, der ja bereits als Vikar in Uelsen tätig gewesen war. Nachdem dieser seine 2. theologische Prüfung abgelegt hatte, wurde er am 13. 9. 1936 in die Pfarrstelle in Uelsen eingesetzt.

 

Bernds beschrieb sein Verhältnis zu Schumacher als eine "tiefe menschliche und theologische Freundschaft". Beide waren auch mit dem in Bonn lehrenden Theologen Karl Barth verbunden. Barth hatte mehrere Beiträge zu den von Schumacher herausgegebenen "Biblischen Zeugnissen" geschrieben, Bernds hatte bei ihm studiert.

 

Im Verlauf der Entwicklungen nach der Verabschiedung der maßgeblich von Barth initiierten "Barmer Theologischen Erklärung" von 1934 ging Schumacher zu Barth und insbesondere zur Bekenntnisgemeinschaft, die sich 1934 in Detmold gegründet hatte, auf Distanz. Er befürchtete eine Spaltung der reformierten Kirche und setzte sich dafür ein, den Weg der Kirchenleitung in Aurich, die sich der Bekennenden Kirche nicht angeschlossen hatte, zu respektieren. Unter dieser Haltung Schumachers litt auch das Verhältnis zu seinem Kollegen Dr. Bernds.

 

Im Dezember 1934 kam es in Uelsen zu einem Treffen zwischen Barth, Schumacher und dem Landessuperintendenten Holweg, bei dem das so genannte "Uelser Protokoll" verabschiedet wurde.

 

1937 wurde Pastor Dr. Bernds von der Gestapo vernommen, weil er einem Jungen vor Beginn des kirchlichen Unterrichts den Hitlergruß verboten hatte. Ein Verfahren wegen staatsfeindlicher Äußerungen wurde eingestellt.

 

Im April 1938 warf man Bernds in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Neuenhaus vor, er habe zu Konfirmanden gesagt, ein getaufter Jude sei ihm lieber als ein ungetaufter Mensch. Bernds hatte bei der vorhergehenden Vernehmung erklärt, er sei kein Nationalsozialist und zuerst ein Christ, erst dann ein Deutscher. Das Gericht sprach eine Verwarnung aus. Bernds unterzeichnete eine Erklärung, in der er sich verpflichtete, in Zukunft staatsfeindliche Äußerungen zu unterlassen.

 

Nach der Pogromnacht am 9. November 1938, bei der auch in Uelsen Häuser und Geschäfte jüdischer Bürger beschädigt wurden, führte Dr. Bernds den niederländischen Theologieprofessor Berkhof durch das Dorf. Er soll dabei mit deutlichen Worten Gemeindeglieder aufgefordert haben, zu den Verbrechen Stellung zu nehmen.

 

In einem Brief, der im Februar 1939 über die Niederlande an Karl Barth gelangte, beklagte Heinrich Bernds die offizielle Haltung der reformierten Kirche: "Zu den Judenverfolgungen hat Aurich (...) nichts gesagt. - Aber einzelne Pastoren haben aber immerhin doch noch offen Stellung bezogen. (Brief vom 6. Februar 1939, Karl Barth-Archiv Basel)

 

Den Einmarsch deutscher Truppen in Norwegen und Dänemark kritisierte Bernds bei einem Hausbesuch in Getelomoor mit offenen Worten. Er soll auch dazu geraten haben, viel in der Bibel zu lesen und nicht so viel Radio zu hören, denn da würden viele Lügen verbreitet.

 

Dr. Bernds wurde angezeigt und vor einem Sondergericht in Hannover angeklagt. Er bestritt die ihm vorgeworfenen Äußerungen, doch man glaubte ihm nicht. Er wurde wegen Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“ zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt, auch, weil aus seinem Vorleben zu erkennen sei, dass er ein fanatischer Gegner des Nationalsozialismus sei.

 

Der Landeskirchenrat stellte im Anschluss an das Verfahren an den Bezirkskirchenrat der Grafschaft Bentheim und den Kirchenrat der Gemeinde Uelsen die Frage, ob die Einleitung eines Dienststrafverfahrens geboten sei. Beide Gremien baten den Landeskirchenrat, von einem solchen Verfahren abzusehen.

 

Am 18. 3. 1941 leitete die Landeskirchenleitung in Aurich dennoch ein Dienststrafverfahren gegen Pastor Dr. Bernds ein. Damit verbunden war die vorläufige Amtsenthebung. Das Verfahren fand am 12. Juni 1941 in Hannover statt, wo Bernds inhaftiert war. Man warf ihm vor, er habe "im Jahre 1940 und 1941 schuldhaft durch sein Verhalten das Ansehen und Vertrauen, das sein Beruf erfordert" verletzt.

 

Bernds weigerte sich zunächst, ein Schuldbekenntnis abzulegen. Nach den Zeugenvernehmungen redete Pastor Schumacher auf seinen Kollegen ein. Sein Verhalten stünde im Gegensatz zum 5. Gebot. Gott habe das Leben unter die Autorität von Vater und Mutter gestellt. Davon müssten alle Autoritäten abgeleitet werden. Laut Kirchenratsprotokoll soll Schuhmacher gesagt haben: "Der Glaubende kann nie zu denen gehören, die die Obrigkeit herabsetzen. ... Wer schimpft, betet nicht ."Bernds war von den Worten seines Kollegen offenbar tief getroffen. "Wenn ich so geistlich angesprochen werde, kann ich nichts mehr sagen, dann muss ich schweigen." Er erklärte sich bereit, in der Verhandlung ein Schuld- und Reuebekenntnis abzulegen und in einem Gottesdienst in seiner Heimatgemeinde zu erklären, er habe gegen das 5. Gebot verstoßen.

 

Darüber hinaus wurden seine Dienstbezüge gekürzt, bis er in einer anderen Gemeinde wieder als Pfarrer eingesetzt sei.

 

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Hannover am 16. Mai 1942 erholte er sich bei seinen Schwiegereltern in Kamen von den Strapazen der Haft. Eine Rückkehr nach Uelsen, wo seine Familie weiterhin wohnte, wurde ihm verwehrt. Am 12. Oktober 1942 teilte er der Kirchengemeinde mit, dass er zur Wehrmacht einberufen sei. Zu diesem Schritt hatten ihm viele Seiten geraten, die Landeskirchenleitung hatte sich bemüht, für ihn die "Wehrwürdigkeit" wieder zu gewinnen.

 

Ostern 1943 erhielt er Fronturlaub, um in der Heimatgemeinde zu predigen. Dr. Bernds fragte bei Pastor Schumacher an. Nach Rücksprache mit Landessuperintendent Hollweg teilte Schumacher ihm mit, er könne in Uelsen auf eigene Verantwortung predigen, obwohl er seinen Verzicht auf die Pfarrstelle ausgesprochen habe. Dr. Bernds predigte am Ostermontag 1943 in der Kirche in Uelsen. Nach dem Gottesdienst ist es mutmaßlich zu einigem Aufruhr gekommen. Der Kirchenrat holte ein erneutes Votum des Landeskirchenrates ein. Dieser teilte mit, dass es dem Urteil im Dienststrafverfahren nicht entspreche, wenn Pastor Bernds in Uelsen predige.

 

Diese Mitteilung wurde ihm bei einem kurzen Urlaub im Februar 1944 übermittelt. Ein letztes Lebenszeichen von Dr. Heinrich Bernds datiert vom 9. April 1945 aus dem Kurland, seither gilt er als verschollen. Er wurde später für tot erklärt. In Uelsen hat man 1987 eine Straße nach ihm benannt.